Technologische Innovationen und digital gestützte Trainingssteuerung in der Trainingswissenschaft und im Gesundheitswesen

Die rasante Entwicklung und stete Verbreitung miniaturisierter Sensorik und deren Applikationen (z.B. Apps, Inertialsensoren, Smartphone etc.) beeinflusst (fast) alle Dimensionen unserer gesellschaftlichen und sozialen Lebenswelten und zunehmend auch diejenige des Sports und des Gesundheitswesens (Thompson, 2019). Da Computer und Interfaces nicht nur leistungsfähiger bei der Berechnung und Verarbeitung von ansteigenden Datenmengen, sondern auch immer kleiner werden (Waldrop, 2016), stellen sie somit eine wesentliche Grundlage für selbstlernende Automatisierungsprozesse dar. Im Kontext Sport sowie im Gesundheitswesen sind die Anwendungsfelder explizit im Trainingsmonitoring, im Wettkampf, im Bereich des Regenerationsmanagements sowie in der (Leistungs-) bzw. medizinischen Diagnostik zu sehen (Düking et al., 2020). Neben dem langjährigen Einsatz miniaturisierter Sensorik zur Leistungs- und Bewegungsanalyse direkt an der Schnittstelle Mensch und Sportgerät (z.B. Ruderboote, Fahrräder oder Bobs etc.), kommen zunehmend tragbare und/oder körpernahe (in Teilen im Körper getragene) Sensoren (engl. „wearables“ oder “wearable sensor technology“) zur Anwendung (Düking, Achtzehn, Holmberg, & Sperlich, 2018; Düking, Holmberg, & Sperlich, 2017). Athleten und sportlich Aktive nutzen Wearables heutzutage hauptsächlich als Smartwatches oder Fitness- bzw. Activity-Tracker beispielsweise zur Messung der Herzfrequenz, des Energieverbrauchs, zur Trainings- oder körperlichen Belastung bzw. Beanspruchungsanalyse, zur Bestimmung des Aktivitäts- bzw. Inaktivitätsstatus, zur Einschätzung des Fitnessstatus sowie zum Schlaf- und Erholungsmonitoring (Seshadri et al., 2019). Wearables kommen zunehmend aber auch in Form von „smarter“ Kleidung wie T‑Shirts, Socken oder Schuhen, im Ohr (Hearables) bzw. smarte Kopfhörer oder als „smartes“ Pflaster zur Anwendung. Des Weiteren gibt es in Pillen verbaute Sensorik (Ingestibles/Implantables), die Biosignale wie die Körperkerntemperatur oder ein Monitoring der Medikamenteneinnahme telemetrisch übermitteln. Die Relevanz und hohe Bedeutung von Wearables wird nicht nur jährlich durch eine Spitzenplatzbelegung in den weltweiten Fitnesstrends, welche vom American College of Sports Medicine veröffentlicht werden, bestätigt – Platz eins der Fitnesstrends in 2020 mit einem geschätzten Umsatz von 95 Milliarden Dollar – (Thompson, 2018, 2019), sondern auch verschiedene internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation sprechen sich für den potentiellen Mehrwert von Wearables zur Erhaltung und/oder der Verbesserung bestimmter gesundheitlicher Aspekte aus. Zudem erlauben immer mehr Spitzenverbände den Einsatz von verschiedensten Wearables während der Wettkämpfe, um beispielsweise Rückmeldung über verschiedene Biosignale (u.a. Körperkerntemperatur, Herzfrequenz, Ermüdungsindex etc.) zu erhalten. Die Entwicklung und Anwendung von Wearables im sportlichen und gesundheitsbezogenen Kontext steckt zwar noch in ihren Anfängen, eröffnet Sportwissenschaftlern aber aufgrund steigender Marktzahlen, der Akzeptanz diverser Organisationen, Sportverbänden und -vereinen eine interessante Profilierung in der beruflichen Karriere (Sports Performance Analysis). Da kommerziell vermarktete Wearables (welche den Sportmarkt adressieren) in Deutschland derzeit nicht reguliert und einer unabhängigen Überprüfung der Reliabilität und Validität unterliegen, werden zukünftig Experten benötigt, welche die Qualität der zur Verfügung gestellten Daten bewerten und einschätzen können (Kobsar et al., 2020). Firmen drängen mit aggressiven Marketingbotschaften auf den Sportartikel- und Gesundheitsmarkt, und viele Wearables halten in der Praxis nicht das, was sie versprechen (Sperlich & Holmberg, 2017). Parameter von kommerziell erhältlichen Wearables müssen daher häufig mit äußerster Vorsicht interpretiert werden, und es bedarf hier eines hohen Maßes an Expertenwissen. Die zunehmende Zahl erhältlicher Wearables sowie die steigende Zahl der messbaren Parameter führt zu einer Datenflut, was u.a. die Interpretierbarkeit, das Datenmanagement, die Forschungsethik und die Datensicherheit betrifft (RatSWD [Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten], 2020). Entsprechend qualifiziertes und speziell ausgebildetes Personal wird daher benötigt, welches sowohl die Relevanz einzelner Parameter einschätzen, aber auch im Kontext einer jeweiligen Sportart und Trainings- bzw. Wettkampfphase interpretieren und beurteilen kann.

 

Literatur

Düking, P., Achtzehn, S., Holmberg, H.-C., & Sperlich, B. (2018). Integrated Framework of Load Monitoring by a Combination of Smartphone Applications, Wearables and Point-of-Care Testing Provides Feedback that Allows Individual Responsive Adjustments to Activities of Daily Living. Sensors, 18 (5), 1632. doi:10.3390/s18051632

Düking, P., Fröhlich, M., & Sperlich, B. (2020). Technologische Innovation in der Trainingswissenschaft: Digitalgestützte Trainingssteuerung mittels tragbarer Sensorik. In A. Güllich & M. Krüger (Hrsg.), Bewegung, Training, Leistung und Gesundheit (S. 1-16). Berlin, Heidelberg: Springer.

Düking, P., Holmberg, H.-C., & Sperlich, B. (2017). Instant biofeedback provided by wearable sensor technology can help to optimize exercise and prevent injury and overuse. Frontiers in Physiology, 8, 167. doi:10.3389/fphys.2017.00167

Kobsar, D., Charlton, J. M., Tse, C. T. F., Esculier, J.-F., Graffos, A., Krowchuk, N. M., et al. (2020). Validity and reliability of wearable inertial sensors in healthy adult walking: a systematic review and meta-analysis. Journal of NeuroEngineering and Rehabilitation, 17 (1), 62. doi:10.1186/s12984-020-00685-3

RatSWD [Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten]. (2020). Datenerhebung mit neuer Informationstechnologie. Empfehlungen zu Datenqualität und -management, Forschungsethik und Datenschutz. Berlin: Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD).

Seshadri, D. R., Li, R. T., Voos, J. E., Rowbottom, J. R., Alfes, C. M., Zorman, C. A., et al. (2019). Wearable sensors for monitoring the internal and external workload of the athlete. NPJ Digital Medicine, 2, 71-71. doi:10.1038/s41746-019-0149-2

Sperlich, B., & Holmberg, H.-C. (2017). Wearable, yes, but able…?: it is time for evidence-based marketing claims! British Journal of Sports Medicine, 51 (16), 1240-1240. doi:10.1136/bjsports-2016-097295

Thompson, W. R. (2018). Worldwide survey of fitness trends for 2019. ACSM's Health & Fitness Journal, 22 (6), 10-17. doi:10.1249/fit.0000000000000438

Thompson, W. R. (2019). Worldwide survey of fitness trends for 2020. ACSM's Health & Fitness Journal, 23 (6), 10-18. doi:10.1249/fit.0000000000000526

Waldrop, M. M. (2016). The chips are down for Moore's law. Nature, 530 (7589), 144-147. doi:10.1038/530144a